Zustandserfassung
Im Zuge barocker Umbaumaßnahmen im Turmraum wurden die südliche, westliche und nördliche Fensternische mit Korbbögen in der Höhe verkleinert. Durch die Vermauerung blieben in den Bögen spätgotische Wandmalereien erhalten. Die seccogebundene Malerei ist auf einer Kalktünche (Malgrund) ausgeführt. Sie ist heute in großen Teilen durch eine aufliegende gelb-bräunliche Kalkschlämme sowie eine Kalktünche verdeckt und nur an durch Selbstfreilegung entstandenen Fehlstellen sichtbar. Durch Diffusion von Bindemittel und feinen Schwebstoffen aus der Malschicht zur Oberfläche hat sich dort ein Negativabdruck der verdeckten Malereibereiche in grauen bis schwarzen Tönen herausgebildet. Dieser folgt exakt den Formen und zeichnet sogar feinste Linien der Binnenzeichnung detailliert nach.
Mauerwerk
Übermäßige Auflasten haben den Mauerverband des Bogens in den Innenraum gedrückt. Dabei entstanden im Scheitelbereich mehrere bis zu 4 cm breite und ca. 40 cm tiefe Risse. Im vorderen Bogenscheitel ist darüber hinaus ein größerer Mauerblock um 10 cm verschoben worden. Das Mauerwerk um diesen Block herum ist stark gelockert und nicht mehr kraftschlüssig verbunden. Im Kämpferbereich sind noch Ziegel des barocken Korbbogens vorhanden. Am rechten Kämpferpunkt ist das Mauerwerk durch den Druck des Bogens eingedrückt. Auf einer Länge von ca. 60 cm sind Ziegel zerbrochen und um bis zu 6 cm verschoben.
Putzmörtel
Der Fugenmörtel des Mauerwerks läuft an der Bogenunterseite im Sinne eines Schalungsmörtels flächig auf die Ziegel aus. Hierauf liegt die malereitragende Putzschicht. Statische Belastungen haben zu großflächigen Ablösungen sowohl des Fugen- und Schalungs- als auch des Putzmörtels vom Untergrund geführt. An den Flanken steht die malereitragende Putzschicht bis zu 0,5 cm ab.
Farbschichten
Das Schichtenpaket aus spätgotischer Malschicht 1, gelb-bräunlicher Schlämme 2 und Übertünchung 3 ist zu 80% vom Untergrund gelöst und steht in flächigen Schollen bis zu 1-2 cm auf. Die oberste Tüncheschicht reißt Schlämme und Malschicht mit. Die Schichtentrennung erfolgt innerhalb der durch Bindemittelabbau geschwächten, stark pudernden Malschicht 1 , wobei der obere Teil mit den Binnenzeichnungen noch an der sandenden Schlämme anhaftet.
Große Bereiche der ehemals überwiegend grünen Rankenbemalung haben sich durch Pigmentveränderungen schwarz verfärbt. Hierbei handelt es sich um die Umwandlung vom Cu-Anteil der Cu-Pigmente (Malachit, Azurit) in schwarzes CuO und von Mennige (Pb2O4) in schwarzes PbO2.
Oberfläche
Auf der Oberfläche liegen neben einer flächigen Schmutzauflagerung partiell Mörtelreste der barocken Vermauerung auf.
Zielstellung der Restaurierung
In Abstimmung mit den Städtischen Sammlungen der Stadt Wittenberg, vertreten durch Herrn Wurda, dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, vertreten durch Herrn Dipl.-Restaurator Weidner sowie dem Dipl.-Restaurator Schmidt sollte die Konservierung und Restaurierung des Wandmalereifragmentes entsprechend der Zielstellung und dem Maßnahmenkatalog vom 22. Januar 2007 ausgeführt werden.
Eingehende Untersuchungen und somit auch die Präzisierung der Konzeption konnten erst unmittelbar mit dem Beginn der Bearbeitung in Abstimmung mit allen Beteiligten erfolgen.
Ziel der Maßnahmen ist die Sicherung der Malereifragmente in ihrem Urkundencharakter als eine der letzten bauzeitlichen Reste der spätgotischer Raumgestaltung im Wittenberger Schloss.
Maßnahmenkonzeption
1. Eine großflächige Freilegung der Malschicht ist aufgrund des zu erwartenden Substanzverlustes nicht vertretbar.
2. Zunächst wird eine trockene Reinigung der Oberfläche durchgeführt.
In diesem Zusammenhang soll eine partielle Freilegung der verdeckten Malerei an markanten und durch bereits Selbstfreilegung entstandenen Fehlstellen erfolgen.
3. Zur Konsolidierung des gelockerten Schichtenpaketes werden die Schollen mit Hausenblasenleim hinterspritzt und mit dem Heizspachtel angebügelt.
4. Die gelockerten Putzbereiche (malereitragender Putzmörtel) werden durch Injektion eines hydraulischen Klebemörtels und partiellen Anböschungen konsolidiert.
5. Im Vorfeld der notwendigen Maurerarbeiten (Bogenscheitel, Kämpferpunkte) muss das gelockerte Mauerwerk (Fugenbereich, statische Risse) kraftschlüssig konsolidiert werden.
6. Herausnahme des verschobenen Mauerwerksblockes im Bogenscheitel sowie der lockeren Mauerwerksbereiche in den Kämpferpunkten und anschließende Mauerergänzung.
7. Schließen der Putzfehlstellen in einem dem Original in Material und Oberflächenwirkung angelehnten Mörtel.
8. Farbliche Integration der Putzergänzungen im Farbton der Fondfläche der Malerei.
9. Eine darüber hinausgehende Retusche erfolgt lediglich an markanten, die Wiederlesbarkeit der Malerei unterstützenden Stellen unter Beibehaltung des Urkundencharakters.
Durchgeführte Maßnahmen
Oberflächenreinigung und partielle Freilegung
Vor der Konsolidierung des Schichtenpaketes wurde der lose aufliegende Oberflächenschmutz trocken mit einem Haarpinsel entfernt. Die Abnahme von Mörtelspritzern der barocken Vermauerung erfolgte mit einem Skalpell. Da nach einer Konsolidierung des gelockerten Schichtenpaketes die gezielte Freilegung der Malerei behindert worden wäre, wurden nach der Reinigung ausgewählte, durch Selbstfreilegung bereits sichtbare Bereichen vergrößert.
Konsolidierung des Schichtenpaketes
Um das Eindringverhalten des Festigungsmittels zu verbessern, wurde zunächst eine Mischung aus Ethanol und dest. Wasser (Verhältnis 1:3) unter die abstehenden Schollen injiziert. Im Anschluss erfolgte das Hinterspritzen mit 5%igem Hausenblasenleim.
Durch die Applikation einer temporären Japanpapierkaschierung mit Carboxymethylcellulose war es möglich die z. T. bis zu 2 cm abstehenden Schollen wieder an den Untergrund anzudrücken und mit einem Heizspachtel anzubügeln. Das Japanpapier wurde abschließend im feuchten Zustand abgezogen.
Konsolidierung malereitragender Putzbereiche
Zum Vornetzen wurde die Mischung aus Ethanol und dest. Wasser (Verhältnis 1:3) verwendet. Anschließend erfolgte eine mehrmalige Injektion des Klebemörtels Ledan TB 1, dem zur Verbesserung des Schwundverhaltens Hohlglaskügelchen (Scotchlite) zugegeben wurden. Durch leichtes Anrütteln der Putzschollen war ein Eindringen des Klebemörtels an den Flanken bis zu 8 cm möglich.
Rechter Kämpferbereich
Am rechten hinteren Kämpferbereich standen aufgrund der Verschiebung des Mauerwerkes Putzschollen dachförmig auf. Der maximale Abstand zum Untergrund betrug bis zu 4 cm. Im ersten Arbeitsschritt musste der gelockerte Bereich zunächst durch eine Kaschierung mit Japanpapier gesichert werden. Zwei deutlich abstehende Schollen wurden nach dem Einschneiden des Papiers entlang der Bruchkanten herausgenommen. Hierauf erfolgte die Konsolidierung der Putzflanken durch die Injektion mit Klebemörtel Ledan TB 1. Das gelockerte Mauerwerk wurde mit einem fließfähigen Mörtel M1 (Eigenmischung) gefestigt. Der Niveauunterschied des eingedrückten Mauerwerks konnte anschließend durch aufmauern mit passenden Ziegelstücken egalisiert und im Anschluss die zwei Putzstücke wieder reappliziert werden.
Konsolidierung des gelockerten Mauerwerkes
Das gelockerte Mauerwerk mit bis zu 4 cm breiten Rissen wurde durch die Injektion eines fließfähigen Mörtelgemisches M1 konsolidiert. Je nach Tiefe der Risse wurden entsprechend lange PVC Schläuche, sog. Packer (Durchmesser 0,8 cm) in geeignetem Abstand zueinander eingesetzt und die Risse anschließend oberflächlich mit dem Mörtel M2 (Eigenmischung) geschlossen um das Herauslaufen des Klebemörtels zu vermeiden. Vor dem Injizieren des Mörtels wurde mit dest. Wasser vorgenetzt. Nach einer Standzeit von 4 h konnten die Schläuche herausgezogen werden. Im Bereich des gelockerten Mauerwerkes im Bogenscheitel war es notwendig Ziegel herauszunehmen und anschließend wieder kraftschlüssig zu vermauern. Für das Verfugen bewährte sich das Einbringen des Mörtels über eine Fugenpistole. Die verwendete Mörtelmischung entspricht in der Zusammensetzung M2.
Mauerwerksergänzungen – Bogenscheitel, Kämpferpunkte
Vor der Herausnahme des verschobenen Mauerblocks im Bogenscheitel musste ein ca. 20 x 20 cm großes malereitragendes Putzstück geborgen werden. Dazu wurden zunächst 3 Lagen Japanpapier mit Carboxymethylzellulose auf der Oberfläche geklebt. Damit war das Putzstück gesichert und gleichzeitig eine Schutzschicht für den Auftrag einer 10 cm dicken Schicht aus Polyurethanschaum (konv. Bauschaum) vorhanden. Der härtende Schaum diente zur Stabilisierung des Putzstückes bei der Abnahme. Nach einer 24 stündigen Trockenzeit konnte das ohnehin bereits vom Untergrund gelockerte Fragment durch leichtes Rütteln und vorsichtiges Sägen von den Flanken her abgenommen werden. Nach der Aufmauerung des Bogenscheitels wurde das Putzstück wieder appliziert. Um mögliche Setzungen des umliegenden Mauerwerks bei der Herausnahme des Mauerblocks auszuschließen musste zunächst eine Stützkonstruktion angefertigt werden.
Die Herausnahme der stark gelockerten Ziegel erfolgte von oben nach unten. Vor dem Wiederaufmauern wurden gelockerte Mauerwerksbereiche durch die partielle Injektion der Mörtelmischung M1 konsolidiert. Vor der erneuten Verwendung der Ziegel musste der Fugenmörtel entfernt werden. Zum Vermauern wurde der durch den Statiker vorgeschriebene Mörtel verwendet.
Die Reste der barocken Korbbogenvermauerung an den Kämpferpunkten wurde entfernt und das Mauerwerk anschließend im Sinne des spätgotischen Bogens kraftschlüssig ergänzt.
Putzergänzungen
Die Ergänzung der Putzfehlstellen erfolgte in einem zweischichtigen Aufbau.
In einem ersten Schritt wurde ein Putzmörtel M2 aufgetragen, der in Zusammensetzung und Schichtdicke dem des originalen Fugen- und Schalungsmörtels entspricht. Im Anschluss konnte mit dem Mörtel M3 das Niveau der Putzfehlstellen auf das des malereitragenden Originalputzes angeglichen werden. Zusammensetzung und Oberflächenstruktur der Putzergänzungen orientieren sich am Originalbestand.
Risse
Für das Schließen von Rissen kam die gleiche Vorgehensweise zum Tragen. Folgende Mörtelmischungen wurden verwendet.
Retusche
Nach dem Schließen der Putzfehlstellen im Oberflächencharakter der Umgebung mussten diese noch farblich integriert werden. In Abstimmung aller Beteiligter sollte dies nicht in dem weißlichen Fondfarbton der Malerei 1 geschehen, da diese nur noch an wenigen Stellen freiliegt. Vielmehr wurde ein gelb-bräunlicher Ton ausgewählt, der dem der farblich dominierenden, aufliegenden Kalkschlämme 2 entspricht, ausgewählt.
Die Putzretusche erfolgte lasurartig, um den Oberflächencharakter der Putzergänzungen nicht zu verändern. Hierfür wurde Oppiner Sand, der von Natur aus einen gelb-bräunlichen Farbcharakter aufweist, in Wasser aufgerührt und die feinen Schwebstoffe anschließend abgegossen. Durch die Zugabe von etwas Sumpfkalk wurde die Bindekraft der Lasur eingestellt. Die farbliche Feinabstimmung erfolgte mit ital. Marmormehl (fein) und Terra di Siena Pigment.
Neben der flächigen Integration von Putzergänzungen erfolgte eine punktuelle Retusche an markanten Stellen zur Verbesserung der Wiederlesbarkeit der Malerei in Trateggio-Technik.